Kommunalfinanzen: Kreis reklamiert beim Land Nachbesserungen im Entschuldungsprogramm
Von unserem Redaktionsmitglied Karl-Heinz Schlitt
Bergstraße. Kommt der Kreiskämmerer, wenn er den kommunalen Schutzschirm über sich aufspannen lässt, vom Regen in die Traufe? Auszuschließen ist das jedenfalls nicht. Deshalb stellt Finanzdezernent Matthias Schimpf eine Beteiligung des Kreises am Landesprogramm zur Entschuldung der kommunalen Familie zumindest infrage.
Am Montag will der Kreisbeigeordnete die Fraktionen des Kreistags mit ins Boot nehmen. Ziel ist es, eine gemeinsame Erklärung zu verabschieden, mit der die Landesregierung zu Nachbesserungen in ihrem Gesetzesentwurf bewegt werden soll. Weil der Landtag darüber schon vor der nächsten Kreistagssitzung am 7. Mai entscheiden will, ist für die Bergstraße Eile geboten. Sonst läuft die Kritik aus dem Landratsamt am Gesetzesentwurf ins Leere.
Im Wesentlichen geht es Schimpf um folgende Punkte:
Weshalb der Schutzschirm für den Landkreis nicht unbedingt das Gelbe vom Ei darstellt
1. Aus dem finanziellen Gesamtpaket, das hessenweit unter den kommunalen Schutzschirm gestellt wird, kann der Kreis Bergstraße mit Entschuldungshilfen in einer Größenordnung von 74 Millionen Euro rechnen. Ausgenommen sind sämtliche Darlehen für Schulbauinvestitionen. Sie werden im Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft abgewickelt.
2. Mit Landeshilfe abgelöst werden können nur Kredite aus dem Kern-Haushalt des Kreises, und zwar ausschließlich Darlehen, deren Laufzeit vor 2016 endet. Die Eigenbetriebe bleiben mit ihren Schulden auf sich allein gestellt.
3. An Investitionskrediten passen deshalb nur 5,7 Millionen Euro unter den Schutzschirm, wie ihn die Landesregierung aufspannen will. Würden die Schulbaudarlehen mit in die Rechnung eingehen, würde das Volumen der ablösefähigen Investitionskredite auf 29 Millionen Euro anwachsen.
SO GEHT’S WEITER
Entscheidung im Sommer: Trotz größter Bedenken wird sich der Kreis Bergstraße für eine Teilhabe am kommunalen Schutzschirm bewerben. Die Frist dafür läuft bis zum 29. Juni. Der Grundsatzbeschluss soll in der Kreistagssitzung am 7. Mai gefasst werden – späterer Ausstieg nicht ausgeschlossen.
Für das Entschuldungsprogramm grundsätzlich infrage kommen auch die Städte Heppenheim mit einem ablösefähigen Kreditvolumen von 17,5 und Lindenfels mit 4,8 Millionen Euro. Die Gemeinde Lautertal könnte unter dem Schutzschirm 5,2 Millionen Euro Schulden loswerden. sl
Erstens: Die Kredite des Eigenbetriebs Gebäudewirtschaft will das Land nicht umschulden. Damit bleiben Darlehen mit höherer Zinsbelastung im Hilfsprogramm für den Kreis außen vor.
Zweitens: Entschuldungs- und Zinshilfen gibt es im Wesentlichen nur für die schon jetzt sehr zinsgünstigen Kassenkredite.
Drittens: Die Inanspruchnahme des Landesprogramms ist an die Auflage geknüpft, dass der Kreis bis spätestens 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt. Schimpf hält dies unter den obwaltenden Bedingungen für schwer möglich.
Viertens: Wenn überhaupt, wäre die Zinshilfe für das Landratsamt nur dann ein Geschäft, wenn das Land die – nur unter Vorbehalt gegebene – Zusage einlöst, die Zinslast des Kreises über die Grundförderung von einem Prozent hinaus mit einem weiteren Prozent Zinszuschuss zu verringern.
Fünftens: Auf einen grünen Zweig kommt die kommunale Familie nur unter der Voraussetzung, dass das Land die bereits vollzogenen Kürzungen der finanziellen Verteilmasse aus dem kommunalen Finanzausgleich von landesweit 340 Millionen
Euro zurücknimmt und zudem das Konnexitätsprinzip nicht weiter unterläuft. Im Klartext bedeutet dies: Wer Leistungen – wie beispielsweise das Inklusionskonzept an Schulen – verspricht, muss auch für die dadurch entstehenden Kosten geradestehen.
Die komplexe Materie beschäftigt auch den Hessischen Staatsgerichtshof. Die zusammen mit zwei weiteren hessischen Landkreisen eingereichte Grundrechtsklage hält Schimpf für unabdingbar, weil der kommunale Schutzschirm nach Einschätzung des Finanzdezernenten bei Weitem nicht ausreicht, um die von der Landesregierung vollzogene Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs zu kompensieren. Schimpf befürchtet sogar, dass der Kreishaushalt trotz Schutzschirm noch tiefer in die roten Zahlen abdriftet. Der Grünen-Politiker fordert deshalb – wie Landrat Matthias Wilkes und die überwältigende Mehrheit des Kreistags – eine „grundsätzlich bessere Finanzausstattung durch das Land“.
Noch viele offene Flanken
Nach der Wurst, die ihm aus Wiesbaden stattdessen hingehalten wird, will Schimpf, wenn überhaupt, nur mit einer gesunden Portion Misstrauen schnappen. Noch gibt es für den Kreisbeigeordneten zu viele offene Flanken. Falls die Konsolidierung der Kreisfinanzen nämlich nicht gelingt, droht das Land mit dem Staatskommissar – oder sogar mit der Rückzahlung der Entschuldungs- und Zinsdiensthilfen.
Dass etwas faul ist am Angebot des Finanzministers, macht Schimpf an der Rechenformel für die Verteilung der Schutzschirm-Gelder fest. Danach wird dem Kreis Groß-Gerau ein um 40 Millionen Euro höheres Entschuldungsvolumen zugestanden. Den kräftigeren Geldregen aus Wiesbaden verdanken die Nachbarn vor allem dem Umstand, dass sie ihre Schulbauinvestitionen im Kreisetat abgebildet und nicht in einen Eigenbetrieb ausgelagert haben. Für Schimpf ist dies der Knackpunkt schlechthin.
Samstag, 24.03.2012
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