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„Die Stadt macht fast nichts hier“

Finanzen – Weil sich Lindenfels sein Freibad nicht mehr leisten kann, bezahlt ein Verein neue Anlagen zum Kostensparen

Aus Licht entsteht Wärme für das Badewasser mit Hilfe dieser Matten auf einem Nebengebäude des Lindenfelser Freibads. Foto: Karl-Heinz Köppner

LINDENFELS.

„Wir haben doch sonst nichts außer der Burg“, sagt Manfred Höbel, Fölis-Vorsitzender und bis 2010 insgesamt 33 Jahre lang Schwimmmeister in Lindenfels. Da sei es extrem wichtig, immerhin Familien mit Kindern etwas zu bieten. Höbel meint das „ideal im Wald gelegene“ Freibad, das nach seinen Beobachtungen neben Einheimischen sogar Kundschaft aus Darmstadt, Offenbach oder Frankfurt anziehe – zwischen 35 000 und 50 000 in jedem Jahr.

Zum notorischen Defizit der Lindenfelser Stadtkasse kommt für die Freibad-Freunde nun eine weitere Bedrohung: „Schließung von kommunalen Bädern“ lautet lapidar eine Empfehlung im Leitfaden, den das Land Hessen den Kommunen zugesandt hat, die – wie Lindenfels – vom „Schutzschirm“ zum Abbau ihrer Schulden profitieren wollen. Dazu sagt der Erste Stadtrat Otto Schneider (SPD), der den erkrankten Bürgermeister Oliver Hoeppner (CDU) vertritt: „Auf keinen Fall wird das Freibad auf unserer Liste für die Schutzschirm-Verhandlungen stehen.“ Kein Politiker könne freilich garantieren, dass das Land oder dessen WI-Bank nicht so etwas verlangen.

Der Förderverein Lindenfelser Schwimmbad trifft sich am 25. (Mittwoch) zur Hauptversammlung: um 19.30 Uhr in der Gaststätte „Am Speierling“ in Lindenfels-Eulsbach (Brunnenweg 8).

„Grausamkeiten müssen begangen werden in Lindenfels“, erklärt Schneider, „ob wir unter den Schutzschirm gehen oder nicht“. So müssten wohl die Kindergarten-Beiträge erhöht werden, um die Lücke von einer halben Million Euro ab 2013 zu schließen; auf der anderen Seite seien Investitionen von bis zu 1,2 Millionen Euro für die Feuerwehrhäuser in Lindenfels fällig.

Parteiübergreifender Wille ist es laut Schneider, beim Bad zu sparen, es aber nicht dichtzumachen. Der Kiosk-Pächter werde wohl das Kassenhäuschen übernehmen, und langfristig sei auch eine Erhöhung der Eintrittspreise nicht zu vermeiden.

Der Landes-Leitfaden für notleidende Kommunen bietet neben der Schließung indes weitere Möglichkeiten: „engagierte Bürger und Schwimmvereine in den Betrieb der Frei- und Hallenbäder integrieren“ oder diese „auf gemeinnützige Förder- und Trägervereine übertragen, die diese in Eigenregie betreiben“.

Ein Stück einer Absorbermatte hält der Erste Stadtrat Otto Schneider in Händen; rechts neben ihm steht Manfred Höbel.

So weit will Fölis nicht gehen, aber seinen Beitrag zum Weiterbetrieb leisten. Auf eigene Kosten baut der Verein gleich zweierlei. Heute geht eine Anlage in Betrieb, die mit Solar-Absorbermatten auf 120 Quadratmetern aus Licht Wärme erzeugt; damit kann via Wärmetauscher gefiltertes Wasser mit einer Temperatur von 30 bis 40 Grad ins Becken geleitet werden. Für den Sommer plant der Verein die Installation von weiteren 100 bis 200 Quadratmetern für 20 000 Euro.

Am Samstag beginnt der Bau einer weiteren Anlage, die mit Sammelbehälter und Wärmetauscher die Temperatur des überlaufenden Beckenwassers nutzen soll. Beides zusammen kostet 35 000 Euro, beides soll die Holzhackschnitzelheizung des Schwimmbads entlasten und damit helfen, den städtischen Betriebskostenzuschuss von 100 000 Euro jährlich zu senken. Manfred Höbel ist zuversichtlich, „dass wir die versprochene Wassertemperatur von 24 Grad sogar überbieten können“.

Die Stadt müsse noch den Vertrag unterschreiben, der im Einklang mit einem Magistratsbeschluss die Zuständigkeit regelt: Die Anlagen gehören dem Verein, der sie betreibt und wartet. Für Höbel steht das stellvertretend für den Rückzug der Kommune aus der eigenen Infrastruktur: „Die Stadt macht im Moment fast nichts hier“, sagt er – außer der Bezahlung von Schwimmmeisterin Andrea Cooper, die eine Aushilfskraft bekommen soll, und ein paar Gärtnerarbeiten.

Mittlerweile aber hat Fölis das Zeug, diesen Ausfall zu kompensieren: 65 000 Euro umfasse das zweckgebundene Vermögen. 7000 Euro fließen jährlich zu durch Beiträge, Sponsoren wie Sparkasse Starkenburg und Volksbank Weschnitztal und Bandenwerbung, die in der Saison im Bad aufgestellt wird.

Höbel muss dafür Klinken putzen bei Vereinen und Firmen. Er beklagt, dass der Verein von der Stadt nicht alle Zahlen zum Bad bekommt und dass es noch kein Gremium gibt, das die Anstrengungen bündelt.

Dafür hat der Verein neben Geld auch Ideen. Dazu gehört die Verkleinerung des Schwimmerbeckens von sechs auf vier Bahnen, die Ersetzung der Kacheln durch Edelstahl, ein Wasserrücklauf wie im Heppenheimer Freibad und eine Rutschenanlage ins Nichtschwimmerbecken für 80 000 Euro. Hoffnung setzt Höbel auf einen 1,5-Millionen-Euro-Fördertopf des Landes für das Lindenfelser Bad. Das Geld könne 2013 abgerufen werden, wenn bis dahin die Pläne fertig seien. Höbel: „Daran aber hapert es.“

„Die Stadt macht fast nichts hier“ | Echo Online – Nachrichten aus Südhessen.

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